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Ubuntu 22.04

21. April 2022 um 13:48

Mit Ubuntu 22.04 »Jammy Jellyfish« hat Canonical die neueste LTS-Version von Ubuntu fertiggestellt. Aktuelle Software kombiniert mit einem Update-Versprechen über fünf Jahre sind die Hauptargumente für die Distribution — und zwar gleichermaßen im Desktop- wie im Server-Segment. Fundamentale technische Neuerungen gibt es keine, einige richtungsweisende Entscheidungen aber sehr wohl: Wayland gilt nun als Default-Grafiksystem, und Firefox wird als Snap-Paket ausgeliefert. Letztere Entscheidung wird nicht nur auf Zustimmung treffen …

Anmerkung: Dieser Blog-Beitrag berücksichtigt ausschließlich das »originale« Ubuntu für den Desktop, nicht die diversen Derivate bzw. die Server-Version.

Installation

Eigentlich wollte Canonical Ubuntu einen neuen, mit der Bibliothek Flutter entwickelten Installer verpassen. Daraus ist nichts geworden, das Programm wurde nicht rechtzeitig fertig. Der Installer ist somit im Vergleich zu den Vorversionen unverändert, was aus meiner Sicht kein Nachteil ist: Das Programm ist einfach zu bedienen und funktioniert gut.

Der Platzbedarf für eine Standardinstallation beträgt ohne /swapfile ca. 6,4 GByte. Wie viel Platz der Installer für die Swap-Datei vorsieht, hängt von der Hardware des Rechners ab, auf dem Sie Ubuntu installieren.

Gut 6 GByte sind zwar angesichts des breiten Software-Angebots akzeptabel, das Attribut »schlank« trifft auf Ubuntu aber schon lange nicht mehr zu. Die Snap-Pakete sind daran nicht alleine Schuld, leisten aber natürlich auch einen Beitrag: Der Platzbedarf für /var/lib/snapd/snaps beträgt anfänglich ca. 640 MByte. Selbst wenn Sie keine weiteren Snap-Pakete installieren, verdoppelt sich der Umfang des Snap-Verzeichnisses früher oder später, weil bei Updates immer auch die vorige Version aller Snap-Pakete erhalten bleibt.

Desktop-Neuerungen

Relativ viele Änderungen bzw. neue Einstellmöglichkeiten gibt es im Gnome-Desktop. Zum Teil handelt es sich dabei einfach um neue Features von Gnome 42, zum Teil um Erweiterungen, die Canonical in den Gnome-Desktop integriert hat:

  • In den Einstellungen kann zwischen der normalen Darstellung der Fenster und dem »Dark Mode« gewechselt werden.
  • Es stehen zehn Kontrastfarben für ausgewählte Elemente zur Auswahl.
  • Auf dem Desktop können unkompliziert Icons abgelegt werden. Dazu ziehen Sie Dateien oder Verzeichnisse per Drag&Drop aus dem Dateimanager auf den Desktop. Intern werden die Dateien dadurch in das Verzeichnis Schreibtisch verschoben.
  • Bei Notebooks kann im Systemmenü einer von mehreren Energiemodis aktiviert werden.
  • Die Tools zur Aufnahme von Screenshots bzw. Screencasts wurden modernisiert.
Die Ubuntu-Variante der Gnome-Einstellungen bietet mehr Optionen als das Original
Der Gnome-Desktop im Dark Mode und mit einer grünen Kontrastfarbe

Beachten Sie, dass die Verwaltung der Gnome Shell Extensions im Snap-Firefox nicht funktioniert. Sie müssen stattdessen das Paket gnome-shell-extensions installieren und ausführen.

Unter Ubuntu sind drei Gnome Shell Extensions vorinstalliert. Die Konfiguration kann bei Bedarf über das Programm »gnome-extensions« erfolgen.

Software-Versionen

Wie üblich wurden fast alle Software-Versionen auf den aktuellen Stand gebracht. Erfreulicherweise trifft dies auch für Gnome zu, das in der aktuellen Version ausgeliefert wird. Ausgenommen sind lediglich vereinzelte Gnome-Anwendungen: In Gnome 42 wurden einige Apps auf die neue Bibliothek GTK4 aktualisiert. Ubuntu geht solchen Programmen aus dem Weg und verwendet gegebenenfalls die ältere Version. Das betrifft z.B. die Kalender-App (gnome-calendar).

Basis             Desktop             Programmierung   Server
---------------   ------------------  --------------   --------------
Kernel     5.15   Gnome          42   bash       5.1   Apache     2.4
glibc      2.35   Firefox        99   docker   20.10   CUPS       2.4
X-Server   1.21   Gimp         2.10   gcc       11.2   MySQL      8.0
Wayland    1.20   LibreOffice   7.3   git       2.34   OpenSSH    8.9
Mesa       22.0   Thunderbird    91   Java        11   qemu/KVM   6.2
Systemd     249                       PHP        8.1   Postfix    3.6
NetworkMan 1.36                       Python    3.10   Samba     4.15
GRUB       2.06 

Firefox und Snap

Wie bereits in Version 21.10 wird Firefox nicht mehr als »gewöhnliches« Paket, sondern in Kooperation mit der Mozilla-Organisation als Snap-Paket ausgeliefert. Für Canonical erleichtert das die Wartung. Für den Anwender ergeben sich daraus aber drei Nachteile:

  • Der Platzbedarf auf dem Datenträger und im RAM ist wesentlich höher.
  • Der erstmalige Start des Programms spürbar langsamer. Selbst die Ubuntu-freundliche Website omgubuntu macht sich darüber in einem Video lustig (siehe ab 3:40). Der lahme Start hat damit zu tun, dass nicht nur Firefox an sich geladen wird, sondern auch ein riesiges Paket von (vollkommen redundanten) Bibliotheken.

  • Es gibt Kompatibilitätsprobleme, z.B. im Zusammenspiel mit der Verwaltung der Gnome-Shell-Erweiterungen oder mit dem Passwort-Tool KeePass.

Wenn Sie das Firefox-Snap-Paket durch ein traditionelles Paket ersetzen möchten, gehen Sie so vor:

sudo snap remove firefox
sudo add-apt-repository ppa:mozillateam/ppa
sudo apt install -t 'o=LP-PPA-mozillateam' firefox

Vorsicht: Einfach sudo apt install firefox funktioniert nicht, weil dadurch neuerlich das Snap-Paket installiert wird! Damit das nächste apt update nicht wieder die Snap-Version von Firefox installiert, müssen Sie außerdem die Priority-Einstellungen für apt verändern:

sudo sh -c 'cat > /etc/apt/preferences.d/mozilla-ppa' << EOF
Package: firefox*
Pin: release o=LP-PPA-mozillateam
Pin-Priority: 501
EOF

Alternativ können Sie natürlich auch Chrome (von der Google-Website) oder Chromium (Paket chromium-browser) installieren.

Wayland per Default

Wie alle gängigen Distributionen werden auch bei Ubuntu der herkömmliche Grafik-Server Xorg und das neue System Wayland parallel installiert. Nach Möglichkeit kommt in Ubuntu 22.04 standardmäßig Wayland zum Einsatz. Im Idealfall soll das sogar bei Grafikkarten mit NVIDIA-Treiber funktionieren. Auf meinem Notebook (Lenovo P1, Quadro P1000 Mobile), ist das aber nicht der Fall: Beim Login gibt es keine Wahl zwischen den unterschiedlichen Grafikbibliotheken, Gnome verwendet wie in älteren Ubuntu-Versionen Xorg (X11) als Grafiksystem. Vermutlich liegt das daran, dass Hybridsysteme (Intel + NVIDIA GPU) noch nicht unterstützt werden.

Zusammenfassung der Eckdaten in den Gnome-Einstellungen

Dafür hat Wayland bei meinen Tests anstandslos in virtuellen Maschinen funktioniert. Auch das Zusammenspiel auf Computern mit Intel- oder ADM-Grafik sollte klappen.

Distributions-Update mit »do-release-upgrade«

Auf meinem Arbeits-Notebook habe ich zwei Tage vor dem offiziellen Release ein Update von Version 21.10 auf die aktuelle Version durchgeführt. Der Prozess hat zwar ca. eine Stunde gedauert, ist aber komplett problemlos verlaufen.

sudo apt update
sudo apt dist-upgrade
sudo reboot
sudo do-release-upgrade -d --allow-third-party

  ...
  11 packages are going to be removed. 174 new packages  
  are going to be installed. 2198 packages are going to 
  be upgraded. 

  You have to download a total of 2,857 M. This download 
  will take about 7 minutes with your connection. 

  Installing the upgrade can take several hours. Once the 
  download has finished, the process cannot be canceled. 
  ...

Fazit

Für Linux-Einsteiger bzw. Leute, die Linux als Desktop-Betriebssystem anwenden möchten, ohne sich Gedanken über technische Hintergründe zu machen, ist Ubuntu weiterhin eine gute Wahl:

  • In aller Regel funktioniert Ubuntu ganz einfach.
  • Das Aussehen und Verhalten des Desktops ist (aus meiner Sicht) besser als bei Distributionen mit dem originalen Gnome.
  • Ubuntu bietet inklusive PPAs und Snaps das wohl beste Software-Angebot in der Linux-Welt.
  • Dank der großen Verbreitung ist es einfach, im Freundeskreis oder im Internet Hilfe zu finden.

Ich kann für diese Zielgruppe unter den aktuellen Distributionen keine bessere Alternative zu Ubuntu erkennen. Am ehesten ist wohl Linux Mint geeignet (das aber selbst von Ubuntu abgeleitet ist).

Persönlich spricht mich Ubuntu allerdings immer weniger an. Ich halte Snap-Pakete für einen Irrweg (und die von Red Hat favorisierte Alternative FlatPak auch nicht nennenswert besser). Der LTS-Vorteil einer langen Lebenszeit ist für mich angesichts des über den Verlauf der Jahre zunehmend veralteten Software-Stacks für meine Desktop-Anwendung als Entwickler/Admin uninteressant.

Quellen und Links

Sonstiges:

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