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Mit einem Dualstack-Reverse-Proxy Internet-Protokolle verbinden

Mit einem Dualstack-Proxy Internet-Protokolle verbinden beschrieb eine Möglichkeit, um von Hosts, welche ausschließlich über IPv6-Adressen verfügen, auf Ziele zugreifen zu können, die ausschließlich über IPv4-Adressen verfügen. In diesem Beitrag betrachte ich die andere Richtung.

Zu diesem Beitrag motiviert hat mich der Kommentar von Matthias. Er schreibt, dass er für den bei einem Cloud-Provider gehosteten Jenkins Build Server IPv4 deaktivieren wollte, um Kosten zu sparen. Dies war jedoch nicht möglich, da Kollegen aus einem Co-Workingspace nur mit IPv4 angebunden sind und den Zugriff verloren hätten.

Doch wie kann man nun ein IPv6-Netzwerk für ausschließlich IPv4-fähige Clients erreichbar machen, ohne für jeden Host eine IPv4-Adresse zu buchen? Dazu möchte ich euch anhand eines einfachen Beispiels eine mögliche Lösung präsentieren.

Vorkenntnisse

Um diesem Text folgen zu können, ist ein grundsätzliches Verständnis von DNS, dessen Resource Records (RR) und des HTTP-Host-Header-Felds erforderlich. Die Kenntnis der verlinkten Wikipedia-Artikel sollte hierfür ausreichend sein.

Umgebung

Zu diesem Proof of Concept gehören:

  • Ein Dualstack-Reverse-Proxy-Server (HAProxy) mit den DNS-RR:
    • haproxy.example.com. IN A 203.0.113.1
    • haproxy.example.com IN AAAA 2001:DB8::1
  • Zwei HTTP-Backend-Server mit den DNS-RR:
    • www1.example.com IN AAAA 2001:DB8::2
    • www2.example.com IN AAAA 2001:DB8::3
  • Zwei DNS-RR:
    • www1.example.com IN A 203.0.113.1
    • www2.example.com IN A 203.0.113.1
  • Ein Client mit einer IPv4-Adresse

Ich habe mich für HAProxy als Reverse-Proxy-Server entschieden, da dieser in allen Linux- und BSD-Distributionen verfügbar sein sollte und mir die HAProxy Maps gefallen, welche ich hier ebenfalls vorstellen möchte.

Der Versuchsaufbau kann wie folgt skizziert werden:

Ein Dualstack-Reverse-Proxy-Server (B) verbindet IPv4-Clients mit IPv6-Backend-Servern

HAProxy-Konfiguration

Für dieses Minimal-Beispiel besteht die HAProxy-Konfiguration aus zwei Dateien, der HAProxy Map hosts.map und der Konfigurationsdatei poc.cfg.

~]$ cat /etc/haproxy/conf.d/hosts.map 
www1.example.com	serversa
www2.example.com	serversb

Eine HAProxy Map besteht aus zwei Spalten. In der ersten Spalte stehen die FQDNs, welche vom HTTP-Client aufgerufen werden können. In der zweiten Spalte steht der Name des Backends aus der HAProxy-Konfiguration, welcher bestimmt, an welche Backend-Server eine eingehende Anfrage weitergeleitet wird. In obigem Beispiel werden Anfragen nach www1.example.com an das Backend serversa und Anfragen nach www2.example.com an das Backend serversb weitergeleitet.

Die HAProxy Maps lassen sich unabhängig von der HAProxy-Konfigurations-Datei pflegen und bereitstellen. Map-Dateien werden in ein Elastic Binary Tree-Format geladen, so dass ein Wert aus einer Map-Datei mit Millionen von Elementen ohne spürbare Leistungseinbußen nachgeschlagen werden kann.

Die HAProxy-Konfigurations-Datei poc.cfg für dieses Minimal-Beispiel ist ähnlich simpel:

~]$ cat /etc/haproxy/conf.d/poc.cfg 
frontend fe_main
	bind :80
	use_backend %[req.hdr(host),lower,map(/etc/haproxy/conf.d/hosts.map)]

backend serversa
	server server1 2001:DB8::1:80
backend serversb
	server server1 2001:DB8::2:80

In der ersten Zeile wird ein Frontend mit Namen fe_main definiert. Zeile 2 bindet Port 80 für den entsprechenden Prozess und Zeile 3 bestimmt, welches Backend für eingehende HTTP-Anfragen zu nutzen ist. Dazu wird der HTTP-Host-Header ausgewertet, falls notwendig, in Kleinbuchstaben umgewandelt. Mithilfe der Datei hosts.map wird nun ermittelt, welches Backend zu verwenden ist.

Die weiteren Zeilen definieren zwei Backends bestehend aus jeweils einem Server, welcher auf Port 80 Anfragen entgegennimmt. In diesem Beispiel sind nur Server mit IPv6-Adressen eingetragen. IPv4-Adressen sind selbstverständlich auch zulässig und beide Versionen können in einem Backend auch gemischt auftreten.

Kann eine HTTP-Anfrage nicht über die hosts.map aufgelöst werden, läuft die Anfrage in diesem Beispiel in einen Fehler. Für diesen Fall kann ein Standard-Backend definiert werden. Siehe hierzu den englischsprachigen Artikel Introduction to HAProxy Maps von Chad Lavoie.

Der Kommunikationsablauf im Überblick und im Detail

Der Kommunikationsablauf im Überblick

Von einem IPv4-Client aus benutze ich curl, um die Seite www1.example.com abzurufen:

~]$ curl -4 -v http://www1.example.com
* processing: http://www1.example.com
*   Trying 203.0.113.1:80...
* Connected to www1.example.com (203.0.113.1) port 80
> GET / HTTP/1.1
> Host: www1.example.com
> User-Agent: curl/8.2.1
> Accept: */*
> 
< HTTP/1.1 200 OK
< server: nginx/1.20.1
< date: Sat, 06 Jan 2024 18:44:22 GMT
< content-type: text/html
< content-length: 5909
< last-modified: Mon, 09 Aug 2021 11:43:42 GMT
< etag: "611114ee-1715"
< accept-ranges: bytes
< 
<!DOCTYPE html PUBLIC "-//W3C//DTD XHTML 1.1//EN" "http://www.w3.org/TR/xhtml11/DTD/xhtml11.dtd">

<html xmlns="http://www.w3.org/1999/xhtml" xml:lang="en">
	<head>
		<title>Test Page for the HTTP Server on Red Hat Enterprise Linux</title>

Der FQDN www1.example.com wird mit der IPv4-Adresse 203.0.113.1 aufgelöst, welche dem Host haproxy.example.com gehört. Bei der Zeile Host: www1.example.com handelt es sich um den HTTP-Host-Header, welchen der HAProxy benötigt, um das richtige Backend auszuwählen.

Es ist zu sehen, dass wir eine Antwort von einem NGINX-HTTP-Server erhalten. Der HTML-Quelltext wurde gekürzt.

Damit ist es gelungen, von einem IPv4-Client eine Ressource abzurufen, die von einem IPv6-Server bereitgestellt wird.

Im Access-Log des Backend-Servers mit der IPv6-Adresse 2001:DB8::2 sieht man:

2001:DB8::1 - - [06/Jan/2024:19:44:22 +0100] "GET / HTTP/1.1" 200 5909 "-" "curl/8.2.1" "192.0.2.1"

Die Anfrage erreicht den Backend-Server von der IPv6-Adresse des haproxy.example.com (2001:DB8::1). Die am Ende der Zeile zu sehende IPv4-Adresse (192.0.2.1) gehört dem IPv4-Client, von dem ich die Anfrage gesendet habe.

Gedanken zur Skalierung

In diesem Beispiel sind die Server www1.example.com und www2.example.com über ihre IPv6-Adressen direkt erreichbar. Nur die Client-Anfragen von IPv4-Clients laufen über den Reverse-Proxy. Wenn man es wünscht, kann man selbstverständlich sämtliche Anfragen (von IPv4- und IPv6-Clients) über den Reverse-Proxy laufen lassen.

In kleinen Umgebungen kann man einen Reverse-Proxy wie HAProxy zusammen mit Squid (vgl. Artikel Mit einem Dualstack-Proxy Internet-Protokolle verbinden) auf einem Host laufen lassen. Selbstverständlich kann man sie auch auf separate Hosts verteilen.

Hochverfügbarkeit lässt sich auch hier mit keepalived nachrüsten:

Abschließende Gedanken

Die Internet-Protokolle IPv4 und IPv6 werden wohl noch eine ganze Zeit gemeinsam das Internet bestimmen und parallel existieren. Ich bin mir sogar sicher, dass ich das Ende von IPv4 nicht mehr miterleben werde. Dualstack-(Reverse)-Proxy-Server stellen eine solide und robuste Lösung dar, um beide Welten miteinander zu verbinden.

Sicher bleiben noch ausreichend Herausforderungen übrig. Ich denke da nur an Firewalls, Loadbalancer, NAT und Routing. Und es werden sich auch Fälle finden lassen, in denen Proxyserver nicht infrage kommen. Doch mit diesen Herausforderungen beschäftige ich mich dann in anderen Artikeln.

Quellen und weiterführende Links

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