Dortmund und Digitalisierung: Ja, aber nur gemeinwohlorientiert
Aktuelle Inside ver.di zum Thema Digitalisierung erschienen
Bild: ver.di Bezirk Westfalen
Anlässlich der heutigen Personalversammlung der Stadt Dortmund hat der ver.di Bezirk Westfalen eine Ausgabe der Inside (Dezember 2018), der ver.di-Zeitung für Beschäftigte der Stadtverwaltung Dortmund, veröffentlicht. Damit hat ver.di sich in der städtischen Digitalisierungsdebatte auf der Vollversammlung des städtischen Personals klar positioniert: Dortmund und Digitalisierung: Ja, aber nur gemeinwohlorientiert – Gegen IT-Lobbyismus in Smart City. Der Artikel beschränkt sich dabei allerdings nicht ausschließlich auf Überlegungen zur Smart City, sondern bezieht sich darüber hinaus auf den Masterplan „Digitale Stadtverwaltung“.
Do-FOSS schätzt besonders die folgende Aussage aus der Inside:
Vertrauensleute und Personalrat fordern […] selbstbestimmte und unabhängige Software sowie offene Format-Standards für die Stadt Dortmund, da ein zu starker Einfluss von IT- und Softwarekonzernen eine gesellschaftliche und demokratiegefährdende Fehlentwicklung fördert.
Der ver.di-Artikel gibt aber zu bedenken:
Unklar ist, ob die Stadtverwaltung die notwendigen Ressourcen – Finanzmittel und Personal – für den digitalen Masterplan und dessen Projekte zur Verfügung stellt.
Auf der einen Seite erkennen Politik, Verwaltung und Beschäftigte den öffentlichen Gestaltungsanspruch für die Digitalisierung an. Auf der anderen Seite müsste die Organisationsstruktur der Verwaltung noch ausgefüllt werden, um die digitale Gestaltung auch tatsächlich wahrzunehmen. Hier liegt eine Asymmetrie vor, die es auszugleichen gilt. Bereits in der Vergangenheit hat ver.di in Dortmund kritisch nachgehakt, wenn es um die Hoheit über die digitale Infrastruktur der Stadt ging. Nun gilt es, die Ansätze einer Offenen Digitalisierung durch entsprechende Finanzmittel und Personal umzusetzen. Ohne das finanzielle Budget und den politischen Willen bleiben die Bestrebungen der Stadt Dortmund für eine gemeinwohlorientierte Digitalisierung folgenlos. Die Lokalpolitik ist durch die Gewerkschaft aufgerufen, sich für eine digital selbstbestimmte Behörde zu engagieren. In diesem Zusammenhang war Do-FOSS zuletzt als World-Café-Impulsgeber im Grünen Salon Paderborn. Bei dieser Veranstaltung hat Do-FOSS ebenfalls auf die anstehenden weichenstellenden Entscheidungen im Dortmunder Smart-City-Prozess hingewiesen. Diese Entscheidungen werden akut, denn es gilt die stadtweiten IT-Bedingungen selbstbestimmt zu gestalten, bevor die Smart City Dortmund durch einen Herstellereinschluss dauerhaft fremdbestimmt wird. Den Titelbeitrag der Inside gibt Do-FOSS in diesem Sinne gerne hier wieder (Verlinkungen durch Verfasser).
Beitrag in der Inside ver.di
Dortmund und Digitalisierung: Ja, aber nur gemeinwohlorientiert
Gegen IT-Lobbyismus in Smart CityDie Digitalisierung ist in vollem Gange. Auch bei der Stadt Dortmund. Die Prozesse gilt es nun mitzugestalten. Doch was braucht es, um die neuen Technologien für das Gemeinwohl, für alle Menschen einzusetzen und nicht für spezielle Wirtschaftsinteressen, für Interessen Einzelner? Und: Wo bleibt der Mensch in der smarten Stadt?
Zu viele Fragen, zu viele Unsicherheiten und Ängste beim Thema Arbeit und Leben 4.0. Daher trafen sich im August dieses Jahres die ver.di-Vertrauensleute und der Personalrat der Stadtverwaltung Dortmund mit Expert*innen zur Fachtagung ver.di Westfalen & Digitalisierung und diskutierten die aktuelle Situation mit Annette Mühlberg, Leiterin der ver.di-Bundesprojektgruppe Digitalisierung, Leon Kaiser von netzpoltik.org und eigenen Fachleuten aus der Verwaltung.
Die Digitalisierung wird gravierende Folgen für den Arbeitsmarkt haben und auch den Öffentlichen Dienst verändern. Der Prozess beschäftigt die Stadtverwaltung Dortmund bereits seit einigen Jahren und führte zur Charta Digitales Dortmund 2018 – 2030, die vom Personalrat verfasst und gemeinsam mit dem Oberbürgermeister auf der Personalversammlung 2017 unterzeichnet wurde. Diese Charta versteht sich als Leitlinie auf gemeinsame Ziele und Gestaltungsgrundsätze: für nachhaltiges, gemeinsames Vorgehen im Transformationsprozess sowie als Motivationsschub und Schutz vor Fehlentwicklungen für die Belegschaft und die Stadtgesellschaft. Die Charta versetzt alle Kolleg*innen in die Lage, die Veränderungsprozesse abgesicherter und damit konstruktiv mitzugestalten. Dies, so Horst Kortwittenborg, Sprecher der ver.di-Vertrauensleute bei der Stadtverwaltung Dortmund, ist aber nur ein erster Schritt in die richtige Richtung: „Wir müssen noch zu weit verbindlicheren Abschlüssen auch auf tariflicher wie auf gesetzlicher Ebene kommen“. Ferner ist eine grundlegend neue Lebens- und Arbeitszeitdiskussion für die und mit den Beschäftigten erforderlich.
Große Sorge bereitet die Beobachtung, dass immer mehr private Anbieter in die öffentliche Daseinsversorgung eindringen und anstelle der öffentlichen Hand die Voraussetzungen für Serviceleistungen bereitstellen wollen. Nur, so die Befürchtung, werde sich deren Service an den Bürgerinnen und Bürgern allein an privatwirtschaftlicher Verwertungslogik, nämlich an Gewinnmaximierung orientieren – inklusive zukünftiger Preisanstiege. Das, was sich privatwirtschaftlich nicht lohnt, verbleibe dann in der öffentlichen Hand.Vertrauensleute und Personalrat fordern daher selbstbestimmte und unabhängige Software sowie offene Format-Standards für die Stadt Dortmund, da ein zu starker Einfluss von IT- un Softwarekonzernen eine gesellschaftliche und demokratiegefährdende Fehlentwicklung fördert. Auf der Fachtagung beschrieben die beiden Technologiebeauftragten des Personalrates, Ralf Voelzkow und Daniel Chadt, aktuelle städtische Aktivitäten und neu geschaffene Verwaltungseinheiten, darunter ein Chief Innovation/ Information Office. Aus dem „Masterplan Digitale Verwaltung“ entstanden die Projekte „Open Government“ und „Potentialanalyse Freie Software“. Durch personelle Vakanzen bzw. Personalveränderungen kam es erst zu Verzögerungen, dann, im Jahr 2018, zu einer Neuausrichtung des Masterplans Verwaltung in Richtung „Masterplan Arbeit 4.0.“ In diesem Zusammenhang wird oft das 2017 vom Bundesarbeitsministerium erstellte „Weißbuch 4.0“ erwähnt, das problematische Prognosen zur Zukunft des Öffentlichen Dienstes enthält: Demzufolge soll sich der Personalbedarf bis 2030 um die Hälfte reduzieren …
Unklar ist, ob die Stadtverwaltung die notwendigen Ressourcen – Finanzmittel und Personal – für den digitalen Masterplan und dessen Projekte zur Verfügung stellt. Bislang herrscht daran, wie immer, Mangel – was erklärt, warum Projekte und Maßnahmen nicht so gut (an-)laufen, wie sie sollten. Anhand des „smarten“ Dortmunder Pilot-Projekts „Handyparken“ beschrieb Christian Nähle, ver.di-Vertrauensmann und städtischer Vertreter in einem Smart City-Expertenteam, die Auswirkungen auf Parkplatzsuchende und städtische Beschäftigte (u.a. bei der Verkehrsüberwachung, beim Tiefbauamt und Rechtsamt sowie in den IT-Abteilungen). Seine Beschreibung mündete in einer Technologiefolgenabschätzung, die mit einer recht hohen Wahrscheinlichkeit über kurz oder lang Realität werden könnte: Städtische Parkautomaten und somit städtisches Personal werden komplett eingespart, das öffentliche Parkraummanagement wird von privaten Betreibern im Auftrag der Stadt erledigt, Parkplatzsuchende sind gezwungen, per „Park-App“ Parkplätze zu buchen. Die technische Infrastruktur ermöglicht eine variable Parkplatzpreisgestaltung mit Gewinnmaximierung, vergleichbar den Tank stellen. Die „smarte“ Privatstadt profitiert von Mehreinnahmen auf Kosten des Gemeinwohls. Damit das so nicht passiert, fordert die ver.di-Bundesprojektgruppenleiterin Digitalisierung, Annette Mühlberg, für eine gemeinwohlorientierte Version von Smart City klare Kriterien. Diese müssen eine demokratische IT-Infrastruktur möglich machen. Das Berliner Manifest benennt entsprechende Grundfeste:
- Grundversorgung und offener Zugang!
- Wissen teilen, Wissen mehren!
- Keine Privatisierung öffentlicher Güter im virtuellen Raum!
- Selbstverwaltung und öffentliche Steuerungsfähigkeit stärken!
- Verlässliche demokratische Verfahren und Standards!
- eGovernment mit offenen Standards!
- Kritische Infrastrukturen sichern!
- Daten- und Persönlichkeitsschutz verwirklichen!
- eDemokratie für ArbeitnehmerInnen, Mitbestimmung stärken!
- Öffentliche Daseinsvorsorge nicht IT-Lobbyisten überlassen!
Dass diese Kriterien als Standard verbindlich für alle digitalen Veränderungen zur verpflichtenden Voraussetzung gemacht werden, wird unsere Aufgabe im öffentlichen Dienst sein. Nach dieser Maßgabe werden wir alle Digitalisierungsprozesse reflektiert begleiten. Und wir werden dazu weitere solcher Treffen veranstalten, auch in größerer Form. Im Frühjahr werden wir eine Extraausgabe der Inside zum Thema herausgeben und Euch, liebe Kolleg*innen, werden wir Angebote der Unterstützung und Mitarbeit machen. Denn wir brauchen jede Unterstützung, damit wir eine digitale Zukunft für uns Menschen bauen, die gemeinwohlorientiert ist und sich nicht an den Interessen der Privatwirtschaft ausrichtet. „Es ist notwendig, sich viel intensiver als bisher mit diesem Thema zu befassen“, betont Horst Kortwittenborg, damit Daseinsvorsorge und „gute Arbeit“ auch in Zukunft noch Bestand haben.
Dokumente zum Herunterladen
Die Inside ver.di kann hier heruntergeladen werden. Von Do-FOSS gesammelte Unterlagen zu „Smart City Dortmund“ können hier eingesehen werden.
Soweit im gesetzlichen Rahmen möglich verzichtet der Autor auf alle Urheber- und damit verwandten Rechte an diesem Werk.
Es kann beliebig genutzt, kopiert, verändert und veröffentlicht werden.
Für weitere Informationen zur Lizenz, siehe hier.
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