Lese-Ansicht

Dockers nft-Inkompatibilität wird zunehmend zum Ärgernis

Ca. seit 2020 kommt nftables (Kommando nft) per Default als Firewall-Backend unter Linux zum Einsatz. Manche Distributionen machten den Schritt noch früher, andere folgten ein, zwei Jahre später. Aber mittlerweile verwenden praktisch alle Linux-Distributionen nftables.

Alte Firewall-Scripts mit iptables funktionieren dank einer Kompatibilitätsschicht zum Glück größtenteils weiterhin. Viele wichtige Firewall-Tools und -Anwendungen (von firewalld über fail2ban bis hin zu den libvirt-Bibliotheken) brauchen diese Komaptibilitätsschicht aber nicht mehr, sondern wurden auf nftables umgestellt.

Welches Programm ist säumig? Docker! Und das wird zunehmend zum Problem.

Update 11.11.2025: In naher Zukunft wird mit Engine Version 29.0 nftables als experimentelles Firewall-Backend ausgeliefert. (Aktuell gibt es den rc3, den ich aber nicht getestet habe. Meine lokalen Installationen verwenden die Engine-Version 28.5.1.) Ich habe den Artikel diesbezüglich erweitert/korrigiert. Sobald die Engine 29 ausgeliefert wird, werde ich das neue Backend ausprobieren und einen neuen Artikel verfassen.

Docker versus libvirt/virt-manager

Auf die bisher massivsten Schwierigkeiten bin ich unter Fedora >=42 und openSUSE >= 16 gestoßen: Wird zuerst Docker installiert und ausgeführt, funktioniert in virtuellen Maschinen, die mit libvirt/virt-manager gestartet werden, das NAT-Networking nicht mehr. Und es bedarf wirklich einiger Mühe, den Zusammenhang mit Docker zu erkennen. Die vorgebliche »Lösung« besteht darin, die libvirt-Firewall-Funktionen von nftables zurück auf iptables zu stellen. Eine echte Lösung wäre es, wenn Docker endlich nftables unterstützen würde.

# in der Datei /etc/libvirt/network.conf
firewall_backend = "iptables"

Danach starten Sie den libvirt-Dämon dann neu:

sudo systemctl restart libvirtd

Weitere Infos gibt es hier und hier. Die openSUSE-Release-Notes weisen ebenfalls auf das Problem hin.

Sicherheitsprobleme durch offene Ports

Weil Docker iptables verwendet, ist es mit nftables oder firewalld nicht möglich, Container mit offenen Ports nach außen hin zu blockieren. Wenn Sie also docker run -p 8080:80 machen oder in compose.yaml eine entsprechende Ports-Zeile einbauen, ist der Port 8080 nicht nur auf dem lokalen Rechner sichtbar, sondern für die ganze Welt! nftables- oder firewalld-Regeln können dagegen nichts tun!

Deswegen ist es wichtig, dass Docker-Container möglichst in internen Netzwerken miteinander kommunizieren bzw. dass offene Ports unbedingt auf localhost limitiert werden:

# Port 8080 ist nur für localhost zugänglich.
docker run -p localhost:8080:80 ...

Ihre Optionen in compose.yaml sehen so aus:

```bash
# compose.yaml
# Ziel: myservice soll mit anderem Container
# in compose.yaml über Port 8888 kommunizieren
services:
  myservice:
    image: xxx
    ports:
      # unsicher!
      # - "8888:8888"
      # besser (Port ist für localhost sichtbar)
      # - "127.0.0.1:8888:8888"
      # noch besser (Port ist nur Docker-intern offen)
      - "8888"
  otherservice:
    ...

Die sicherste Lösung besteht darin, die Container ausschließlich über ein Docker-internes Netzwerk miteinander zu verbinden (siehe backend_network im folgenden schablonenhaften Beispiel). Die Verbindung nach außen für die Ports 80 und 443 erfolgt über ein zweites Netzwerk (frontend_network). Die Angabe des drivers ist optional und verdeutlicht hier nur den Default-Netzwerktyp.

# compose.yaml
# am besten: die beiden Services myservice und
# nginx kommunizieren über das interne Netzwerk 
# miteinander
services:
  myservice:
    build: .
    ports:
      - "8888:8888"
    networks:
     - backend_network
  nginx:
    image: nginx:alpine
    ports:
      - "80:80"
      - "443:443"
    volumes:
      - ./nginx.conf:/etc/nginx/nginx.conf
      - /etc/mycerts/fullchain.pem:/etc/nginx/ssl/nginx.crt
      - /etc/mycerts/privkey.pem:/etc/nginx/ssl/nginx.key
    depends_on:
      - myservice
    networks:
      - frontend_network
      - backend_network
networks:
  # Verbindung zum Host über eine Bridge
  frontend_network:
    driver:   bridge
  # Docker-interne Kommunikation zwischen den Containern
  backend_network:
    driver:   bridge
    internal: true

Restriktive Empfehlungen

Docker hat es sich zuletzt sehr einfach gemacht. Auf https://docs.docker.com/engine/install/ubuntu/#firewall-limitations steht:

If you use ufw or firewalld to manage firewall settings, be aware that when you expose container ports using Docker, these ports bypass your firewall rules. For more information, refer to Docker and ufw.

Docker is only compatible with iptables-nft and iptables-legacy. Firewall rules created with nft are not supported on a system with Docker installed. Make sure that any firewall rulesets you use are created with iptables or ip6tables, and that you add them to the DOCKER-USER chain, see Packet filtering and firewalls.

Und https://docs.docker.com/engine/security/#docker-daemon-attack-surface gibt diese Zusammenfassung:

Finally, if you run Docker on a server, it is recommended to run exclusively Docker on the server, and move all other services within containers controlled by Docker. Of course, it is fine to keep your favorite admin tools (probably at least an SSH server), as well as existing monitoring/supervision processes, such as NRPE and collectd.

Salopp formuliert: Verwenden Sie für das Docker-Deployment ausschließlich für diesen Zweck dezidierte Server und/oder verwenden Sie bei Bedarf veraltete iptable-Firewalls. Vor fünf Jahren war dieser Standpunkt noch verständlich, aber heute geht das einfach gar nicht mehr. Die Praxis sieht ganz oft so aus, dass auf einem Server diverse »normale« Dienste laufen und zusätzlich ein, zwei Docker-Container Zusatzfunktionen zur Verfügung stellen. Sicherheitstechnisch wird dieser alltägliche Wunsch zum Alptraum.

Land in Sicht?

Bei Docker weiß man natürlich auch, dass iptables keine Zukunft hat. Laut diesem Issue sind 10 von 11 Punkte für die Umstellung von iptables auf nftables erledigt. Aber auch dann ist unklar, wie es weiter gehen soll: Natürlich ist das ein massiver Eingriff in grundlegende Docker-Funktionen. Die sollten vor einem Release ordentlich getestet werden. Einen (offiziellen) Zeitplan für den Umstieg auf nftables habe ich vergeblich gesucht.

Docker ist als Plattform-überschreitende Containerlösung für Software-Entwickler fast konkurrenzlos. Aber sobald man den Sichtwinkel auf Linux reduziert und sich womöglich auf Red-Hat-ähnliche Distributionen fokussiert, sieht die Lage anders aus: Podman ist vielleicht nicht hundertprozentig kompatibel, aber es ist mittlerweile ein sehr ausgereiftes Container-System, das mit Docker in vielerlei Hinsicht mithalten kann. Installationsprobleme entfallen, weil Podman per Default installiert ist. Firewall-Probleme entfallen auch. Und der root-less-Ansatz von Podman ist sicherheitstechnis sowieso ein großer Vorteil (auch wenn er oft zu Netzwerkeinschränkungen und Kompatibilitätsproblemen führt, vor allem bei compose-Setups).

Für mich persönlich war Docker immer die Referenz und Podman die nicht ganz perfekte Alternative. Aber die anhaltenden Firewall-Probleme lassen mich an diesem Standpunkt zweifeln. Die Firewall-Inkompatibilität ist definitiv ein gewichtiger Grund, der gegen den Einsatz der Docker Engine auf Server-Installationen spricht. Docker wäre gut beraten, iptables ENDLICH hinter sich zu lassen!

Update 11.11.2025: Als ich diesen Artikel im Oktober 2025 verfasst und im November veröffentlicht habe, ist mir entgangen, dass die Docker-Engine in der noch nicht ausgelieferten Version 29 tatsächlich bereits ein experimentelles nftables-Backend enthält!

Version 29 liegt aktuell als Release Candidate 3 vor. Ich warte mit meinen Tests, bis die Version tatsächlich ausgeliefert wird. Hier sind die Release Notes, hier die neue Dokumentationsseite. Vermutlich wird es ein, zwei weitere Releases brauchen, bis das nftables-Backend den Sprung von »experimentell« bis »stabil« schafft, aber immerhin ist jetzt ganz konkret ein Ende der Firewall-Misere in Sicht.

Quellen / Links

Das neue nftables-Backend für Docker

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AlmaLinux 10

Seit einigen Jahren ist CentOS kein produktionstauglicher RHEL-Klon mehr. Wer RHEL produktiv nutzen will, aber nicht dafür bezahlen kann, hat die Qual der Wahl: zwischen AlmaLinux, CentOS Stream (nicht für Langzeitnutzung), Oracle Linux, RHEL via Developer Subscription und Rocky Linux. Ich bin ein wenig zufällig im AlmaLinux-Lager gelandet und habe damit über mehrere Jahre, vor allem im Unterricht, ausgezeichnete Erfahrungen gemacht.

Nach diversen Tests mit der Beta-Version läuft AlmaLinux 10 jetzt nativ auf meinem Mini-PC (AMD 8745H), außerdem die aarch64-Variante in einer virtuellen Maschine auf meinem Mac. Dieser Artikel stellt die neue Version AlmaLinux 10 vor, die am 27. Mai 2025 freigegeben wurde, genau eine Woche nach dem Release von RHEL 10. Die meisten Informationen in diesem Artikel gelten auch für RHEL 10 sowie für die restlichen Klone. Oft beziehe ich mich daher im Text auf RHEL (Red Hat Enterprise Linux), also das zugrundeliegende Original. Es gibt aber auch ein paar feine Unterschiede zwischen dem Original und seinen Klonen.

AlmaLinux 10 mit Gnome Desktop

Ich habe vor, diesen Artikel in den nächsten Wochen zu aktualisieren, wenn ich mehr Erfahrungen mit AlmaLinux 10 gemacht habe und es zu Rocky Linux 10 und Oracle Linux 10 weitere Informationen gibt.

Update 8.6.2025: Der MySQL-Server ist per Default weiterhin offen wie ein Scheunentor.

Update 16.6.2025: Zu Rocky Linux 10 gibt es jetzt auch Release Notes.

Update 16.6.2025: Postfix und BDB vs LMDB

Update 27.6.2025: Oracle Linux 10 ist auch verfügbar, ich habe am Ende des Artikels Links zum Oracle-Blog und zu den Release Notes eingebaut

Update 3.7.2025: Im Hetzner-Cloud-Konfigurator können Sie jetzt auch AlmaLinux 10 und Rocky Linux 10 auswählen. Die Netzwerkkonfiguration erfolgt durch /etc/NetworkManager/system-connections/cloud-init-eth0.nmconnection (nicht mehr durch die veralteten Dateien in /etc/syconfig/network-scripts).

Versionsnummern und Paketverwaltung

Basis               Programmierung     Server
---------------     --------------     ---------------
Kernel     6.12     bash       5.2     Apache      2.4
glibc      2.39     gcc       14.2     CUPS        2.4
Wayland    1.23     git       2.47     MySQL       8.4
Gnome        47     Java        21     MariaDB   11.11
Mesa       24.2     PHP        8.3     OpenSSH     9.9
Systemd     257     Podman     5.4     PostgreSQL 16.8
NetworkMan 1.52     Python    3.12     Postfix     3.8
GRUB       2.12     Node.js     22     qemu/KVM    9.1
                                       Samba      4.21

Red Hat hat mit RHEL 10 den X.org-Server aus den Paketquellen entfernt. RHEL setzt damit voll auf Wayland. (Mit XWayland gibt es für X-Client-Programme eine Kompatibilitätsschicht.) Weil RHEL und seine Klone zumeist im Server-Betrieb und ohne grafische Benutzeroberfläche laufen, ist der Abschied von X.org selten ein großes Problem. Einschränkungen können sich aber im Desktop-Betrieb ergeben, vor allem wenn statt Gnome ein anderes Desktop-System eingesetzt werden soll.

Eine Menge wichtiger Desktop-Programme sind aus den regulären Paketquellen verschwunden, unter anderem Gimp und LibreOffice. RHEL empfiehlt, die Programme bei Bedarf aus Flathub zu installieren. Davon abgesehen ist aber kein Wechsel hin zu Flatpaks zu bemerken. flatpak list ist nach einer Desktop-Installation leer.

In der Vergangenheit haben RHEL & Co. von wichtigen Software-Produkten parallel unterschiedliche Versionen ausgeliefert. Dabei setzte RHEL auf das Kommando dnf module. Beispielsweise stellte RHEL 9 Mitte 2025 die PHP-Versionen 8.1, 8.2 und 8.3 zur Auswahl (siehe dnf module list php).

Anscheinend sollen auch in RHEL 10 unterschiedliche Versionen (»AppStreams«) angeboten werden — allerdings nicht mehr in Form von dnf-Modulen. Wie der neue Mechanismus aussieht, habe ich nach dem Studium der Release Notes allerdings nicht verstanden.

Administration und Logging

Wie schon in den vergangenen Versionen setzt RHEL zur Administration auf Cockpit. Die Weboberfläche ist per Default aktiv, nicht durch eine Firewall geschützt und über Port 9090 erreichbar.

Zur Webadministration ist »Cockpit« auf Port 9090 vorgesehen

Bei einer Desktop-Installation sind standardmäßig rsyslog und das Journal installiert. rsyslog protokolliert wie eh und je in Textdateien in /var/log. Das Journal führt dagegen keine persistente Speicherung durch. Die Logging-Dateien landen in einem temporären Dateisystem in /run/log/journal und verschwinden mit jedem Reboot wieder. Wenn Sie ein dauerhaftes Journal wünschen, führen Sie die folgenden Kommandos aus:

mkdir /var/log/journal

systemctl restart systemd-journald
systemctl restart systemd-journal-flush
systemctl restart systemd-journald.socket

MySQL

Unbegreiflicherweise ist MySQL — jetzt in Version 8.4 — auch in RHEL 10 per Default so konfiguriert, dass jeder Benutzer mit mysql -u root ohne Passwort volle MySQL-Administrationsrechte erhält. Bei Ubuntu erhält per Default nur sudo mysql Admin-Rechte, und bei MariaDB (egal, ob unter Debian, Fedora, RHEL oder Ubuntu) gilt die gleiche Regel. Warum also nicht auch bei RHEL und MySQL?

Wie dem auch sei, das Problem ist nicht neu. Führen Sie also unmittelbar nach der Installation von mysql-server das Kommando mysql_secure_installation aus! Entscheidend ist dabei die Einstellung einen root-Passworts für MySQL.

sudo mysql_secure_installation

  Would you like to setup VALIDATE PASSWORD component? y
  There are three levels of password validation policy:
    LOW    Length >= 8
    MEDIUM Length >= 8, numeric, mixed case, and special characters
    STRONG Length >= 8, numeric, mixed case, special characters, 
           dictionary file
    Please enter 0 = LOW, 1 = MEDIUM and 2 = STRONG: 1
  Please set the password for root here.
    New password: ************
    Re-enter new password: ************
  Disallow root login remotely? y
  Remove test database and access to it? y
  Reload privilege tables now? y

Postfix und BDB versus LMDB

RHEL 10 liefert den Mail-Server Postfix in der Version 3.8 aus. Bei früheren RHEL-Versionen hat Postfix Berkeley Datenbanken (BDB) zur Speicherung von Konfigurationstabellen verwendet. Mit RHEL 10 wird allerdings die libdbd-Bibliotheken aufgrund von Lizenzproblemen nicht mehr mitgeliefert. Postfix verwendet jetzt per Default LMDB-Datenbanken:

grep lmdb /etc/postfix/main.cf

  alias_maps = lmdb:/etc/aliases
  alias_database = lmdb:/etc/aliases
  default_database_type = lmdb

So weit, so gut. Ich bin beim Versuch, einen Postfix-Server einzurichten, allerdings über die Datei /etc/aliases gestolpert. Bisher was es notwendig, nach jeder Änderung in dieser Datei die entsprechende BDB-Datenbank aliases.db mit dem Kommando newaliases neu zu generieren. Genau dieser Hinweis steht auch in der von RHEL ausgelieferten Beispieldatei /etc/aliases. Und erstaunlicherweise funktioniert das Kommando auch unter RHEL 10. newaliases ist über fünf Links mit /usr/sbin/smtpctl aus dem Paket opensmtpd verbunden und scheint weiterhin BDB-Funktionen zu enthalten, Lizenzsorgen hin oder her.

Das Problem ist allerdings, dass Postfix /etc/aliases.db ignoriert und sich stattdessen darüber beklagt, dass es /etc/aliases.lmdb nicht gibt.

journalctl -u postfix

  ... postfix/smtpd[56492]: error: open database /etc/aliases.lmdb: No such file or directory

Ich habe eine Weile gebraucht, bis ich einen Weg gefunden habe, aliases.lmdb zu erzeugen. Das richtige Kommando, das newaliases ersetzt, sieht jetzt so aus:

postalias /etc/aliases

Virtualisierung

Red Hat enthält die üblichen qemu/kvm-Pakete als Basis für den Betrieb virtueller Maschinen. Die Steuerung kann wahlweise auf Kommandoebene (virsh) oder mit der Weboberfläche Cockpit erfolgen.

Das wesentlich komfortablere Programm virt-manager hat Red Hat schon vor Jahren als obsolet bezeichnet, und ich hatte Angst, das Programm wäre mit Version 10 endgültig verschwunden. Aber überraschenderweise gibt es das Paket weiterhin im CodeReady-Builder-Repository:

crb enable
dnf install virt-manager

virt-manager ist aus meiner Sicht die einfachste Oberfläche, um virtuelle Maschinen auf der Basis von QEMU/KVM zu verwalten. Red Hat empfiehlt stattdessen Cockpit (dnf install cockpit-machines), aber dieses Zusatzmodul zur Weboberfläche Cockpit hat mich bisher nicht überzeugen können. Für die Enterprise-Virtualisierung gibt es natürlich auch OpenShift und OpenStack, aber für kleine Lösungen schießen diese Angebote über das Ziel hinaus.

Bereits in RHEL 9 hat Red Hat die Unterstützung für Spice (Simple Protocol for Independent Computing Environments) eingestellt (siehe auch dieses Bugzilla-Ticket). Spice wurde/wird von virt-manager als bevorzugtes Protokoll zur Übertragung des grafischen Desktops verwendet. Die Alternative ist VNC.

Abweichend von RHEL wird Spice von AlmaLinux weiter unterstützt (siehe Release Notes).

EPEL (Extra Packages for Enterprise Linux)

Zu den ersten Aktionen in RHEL 10 oder einem Klon gehört die Aktivierung der EPEL-Paketquelle. In AlmaLinux gelingt das einfach mit dnf install epel-release. Es wird empfohlen, zusammen mit EPEL auch die gerade erwähnte CRB-Paketquelle zu aktivieren.

Die EPEL-10-Paketquelle ist mit schon gut gefüllt. dnf repository-packages epel list | wc -l meldet über 17.000 Pakete! Ein paar Pakete habe ich dennoch vermisst:

  • google-authenticator fehlt noch, ist aber in EPEL 10.1 für Fedora schon enthalten, wird also hoffentlich auch für RHEL10 & Klone bald verfügbar sein.
  • joe fehlt ebenfalls nicht mehr (Stand 3.7.2025). Ich installiere dieses Editor-Paket gerne, weil es jmacs zur Verfügung stellt, eine minimale Emacs-Variante. Ich bin vorerst auf mg umgestiegen, es entspricht meinen Ansprüchen ebenfalls. (Ich bin kein vi-Fan, und nano ist mir ein bisschen zu minimalistisch. Den »richtigen« Emacs brauche ich aber auch nicht, um zwei Zeilen in /etc/hosts zu ändern.)

AlmaLinux in der Hetzner-Cloud

Hetzner bietet mittlerweile vorkonfigurierte Cloud-Instanzen für AlmaLinux 10 und RockyLinux 10 an. Die einzige wesentliche Neuerung, die mir aufgefallen ist, betrifft die Netzwerkkonfiguration. Während Hetzner bis Version 9 auf die eigentlich dort schon veralteten Dateien in /etc/sysconfig/network-scripts gesetzt hat, kümmert sich jetzt eine NetworkManager-Datei um die Konfiguration. Beispiel:

cat /etc/NetworkManager/system-connections/cloud-init-eth0.nmconnection

# Generated by cloud-init. Changes will be lost.
[connection]
id=cloud-init eth0
uuid=1dd9a779-d327-56e1-8454-c65e2556c12c
autoconnect-priority=120
type=ethernet

[user]
org.freedesktop.NetworkManager.origin=cloud-init

[ethernet]
mac-address=96:00:04:6E:A0:A0

[ipv4]
method=auto
may-fail=false

[ipv6]
method=manual
may-fail=false
address1=2a01:4f8:1c17:53db::1/64
gateway=fe80::1
dns=2a01:4ff:ff00::add:1;2a01:4ff:ff00::add:2;

AlmaLinux versus Original (RHEL)

Im Wesentlichen verwendet AlmaLinux den gleichen Quellcode wie RHEL und ist zu diesem vollständig kompatibel. Es gibt aber ein paar feine Unterschiede:

  • Seit RHEL den Zugang zum Quellcodes für die Updates erschwert hat (siehe Ärger für Red-Hat-Klone und Red Hat und die Parasiten), greift AlmaLinux auch auf den Upstream-Quellcode einzelner Projekte zu, führt Bugfixes/Sicherheits-Updates zum Teil früher durch als RHEL und besteht nicht mehr auf eine vollständige Bit-für-Bit- und Bug-für-Bug-Kompatibilität. Im Detail ist diese Strategie und das Ausmaß der Kompatibilität hier dokumentiert.
  • Red Hat hat RHEL 10 für x86_v3 kompiliert, unterstützt damit nur relativ moderne Intel- und AMD-CPUs. Deswegen läuft RHEL 10 auf älteren Computern nicht mehr! Alma Linux macht es ebenso, bietet aber darüber hinaus eine v2-Variante an und unterstützt damit auch ältere Hardware. Die Mikroarchitektur-Unterschiede zwischen v2 und v3 sind z.B. in der Wikipedia sowie auf infotechys.com beschrieben. Das v2-Angebot umfasst auch die EPEL-Paketquelle.

  • Der Verzicht auf Bit-für-Bit-Kompatibilität gibt AlmaLinux die Möglichkeit, sich in einigen Details vom Original abzuheben. Das betrifft unter anderem die Unterstützung von Frame Pointers als Debugging-Hilfe sowie die fortgesetzte Unterstützung des Protokolls Spice,

AlmaLinux vs RockyLinux und Oracle Linux

In der Vergangenheit waren alle Klone praktisch gleich. Nun gut, Oracle hat immer einen eigenen »unbreakable« Kernel angeboten, aber davon abgesehen war das gesamte Paketangebot Bit für Bit kompatibel zum Original, kompiliert aus den gleichen Quellen. Die Extrapakete aus der EPEL-Quelle sind sowieso für das Original und seine Klone ident.

Seit Red Hat 2023 den Zugriff auf den Source-Code aller Updates eingeschränkt bzw. deutlich weniger unbequemer gemacht hat, haben sich AlmaLinux auf der einen und Rocky Linux und Oracle Linux auf der anderen Seite ein wenig auseinander entwickelt. AlmaLinux hat den Anspruch auf Bit-für-Bit-Kompatibilität aufgegeben (siehe oben). Rocky Linux und Oracle Linux beziehen den Quellcode für Updates hingegen nun aus anderen öffentlichen Quellen, unter anderem aus Cloud- und Container-Systemen (Quelle).

RHEL Developer

Für Entwickler macht Red Hat mit dem Red Hat Developer eigentlich ein attraktives Angebot. Nach einer Registrierung gibt es 16 freie Lizenzen für Tests und Entwicklungsarbeit. Ich habe einen entsprechenden Account, habe RHEL 10 installiert und registriert, bin aber dennoch nicht in der Lage, die Paketquellen zu aktivieren. Vielleicht bin ich zu blöd, vielleicht wird RHEL 10 noch nicht unterstützt (diesbezüglich fehlt klare Dokumentation) — ich weiß es nicht. Ich habe es ein paar Stunden probiert, und ich werde es in ein paar Wochen wieder versuchen. Vorerst fehlt mir dazu aber die Zeit und der Nerv.

Quellen und Links

AlmaLinux Release Notes und Dokumentation

Rocky Linux Release Notes

Red Hat Release Notes und Dokumentation

Oracle Linux Release Notes

Berkeley Databases (BDB)

Andere Test- und News-Berichte

Frühere eigene Blog-Artikel

Sonstiges

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