IPv6 obsolet?
Kurz notiert: In den letzten Tagen kursierte ein Artikel von Geoff Huston von der APNIC durchs Netz, in dem er das Ziel in Frage stellt, IPv4 langfristig durch IPv6 zu ersetzen. Warum es obsolet ist? Weil es DNS, NAT und SNI gäbe. Heißes Thema, ich weiß.
Drei Gedanken hierzu:
(1) Transition. Ja, hier hat IPv6 ziemlich versagt und das war schon ziemlich früh absehbar, siehe The IPv6 mess von djb. Ich muss eine Station komplett für IPv6 und IPv4 konfigurieren, damit in der Übergangsphase die Erreichbarkeit sichergestellt ist. Das ist das Gegenteil, wie viele Protokolle agiert haben, die sich gut migrieren lassen. Bei abwärtskompatiblen Protokollen sieht das Protokoll für nicht migrierte Teilnehmer wie das alte Protokoll aus und neue Teilnehmer können anderweitig die neue Version erkennen und besondere Features nutzen. Hätte man besser machen können, aber ich vermute, dass die IPv6-Autoren auch mit einer unkomplizierten Migration gerechnet haben, denn eines ist auch klar: wenn man ein Protokoll neu und ordentlich entwirft, kann man auch endlich alte Zöpfe abschneiden.
(2) Internet gleichberechtiger Teilnehmer. Einer der großen Durchbrüche beim TCP/ICP-basierten Internet, so wie wir es heute kennen, ist, dass technologisch nicht zwischen Konsument und Produzent unterschieden wird. Jeder Teilnehmer kann einen eigenen Server aufspannen und möglichst weltweit seine Dienste anbieten. NAT (vor allem, wenn man es selber nicht verwalten kann) verhindert das Prinzip und schafft ein klares Gefälle, weil hinter dem NAT liegende Stationen nicht mehr frei agieren können.
(3) IPv4-Adresshandel. Die Knappheit der IPv4-Adressen hat einen Markt geschaffen, wo /24er-Blöcke für zehntausende an Euros gehandelt werden. Wir reden hier – um bei einer Analogie zu bleiben – von reinen Nummerschildern. Diese künstliche Verknappung schafft eine weitere Einstiegshürde für neue, ggfs. innovative Teilnehmer und friert in Folge wieder nur den heutigen Status Quo ein.
Fazit: Eigentlich ist die IPv6-Migration auf einem guten Weg. IPv6 only sollte auch das Ziel in meinen Augen sein. Jetzt auf dem (vermutlich erst halben) Weg abzubrechen, würde ich aber sehr kritisch sehen, weil es nur denen in die Hände spielen würde, die sowieso nach alter TK-Manier eine Unterteilung in Konsumenten und Produzenten sehen würden. Aber dann wären viele innovative Dienste nicht an den Start gekommen. Freier Zugang für das Internet ist für die Innovationsfähigkeit wichtiger. Und für einen Zugang braucht man auch eine freie Adressvergabe und das geht nur, wenn - wie bei IPv6 - viele Adressen noch verfügbar sind, ohne, dass man erst "digitales Land" abkaufen muss.