Open-Source-Brötchen auf der Personalversammlung der Stadt Dortmund 2019
Personalversammlung mit digitalem Biss
Bild: Mbdortmund (CC-BY-SA)
Am 20.11.2019 fand die jährliche Personalversammlung der Stadt Dortmund statt. Dieses Jahr war die Personalversammlung bereits im Vorfeld stark von dem Thema Digitalisierung geprägt. Passend dazu brachte die Gewerkschaft ver.di (Bezirk Westfalen) den Beschäftigten die Bedeutung von Freier Software durch eine besondere Aktion näher. ver.di Westfalen verteilte zu Beginn der Versammlung 1.000 Open-Source-Brötchen (vgl. die Arbeit von Do-FOSS zum Thema Open-Source-Saatgut). Damit knüpfte ver.di Westfalen an den Saatgut-Software-Vergleich von Do-FOSS an, welcher für das Konferenzbuch der Bits & Bäume beschrieben wurde. Dieser Vergleich wurde auch schon in einer Inside ver.di aufgegriffen. Do-FOSS stellt die sinnliche Aktion von ver.di im Folgenden anhand eines Flyers vor, welcher zusammen mit den Open-Source-Brötchen verteilt wurde. Im Weiteren gibt Do-FOSS die ver.di-Beiträge des zuständigen Gewerkschaftssekretärs Martin Steinmetz für den Fachbereich Gemeinden vollständig wieder. Die Beiträge zu den Themen Digitalisierung, Mobiles Arbeiten und Fachkräftemangel sind im Zuge einer Frage-Antwort-Gesprächsrunde auf der Bühne der Personalversammlung entstanden. Do-FOSS freut sich, dass ver.di für Freie Software bundesweit voranschreitet. Aus Sicht von Do-FOSS ist besonders die abschließende Problematisierung von Microsoft als Monopolist in der der immateriellen Infrastruktur des öffentlichen Dienstes hervorzuheben. Do-FOSS betrachtet Herstellerabhängigkeiten durch Monopolstellungen im Rahmen der städtischen Potenzialanalyse Freie Software.
Flyer Open-Soure-Brötchen / Open-Source-Software im Wortlaut
Open-Source-Saatgut
Wem gehört das Saatgut, das in unserem Essen steckt? Wie sehr ist unsere Ernährung von Konzernen abhängig? Und was ist an diesem Brötchen anders?Saatgut-Vielfalt ist unverzichtbar für unsere Landwirtschaft und unsere Ernährung. Dabei wird immer deutlicher, dass private Saatgut-Monopole, die sich auf geistigen Eigentumsrechten gründen, ökologische Vielfalt verdrängen und Lebensmittelerzeuger*innen in Abhängigkeit treiben.
ver.di Westfalen unterstützt eine Alternative:
Mit der Open-Source-Saatgut-Lizenz wird Saatgut als Gemeingut vor Monopolisierung geschützt, d.h. es ist für alle auf Dauer zugänglich und kann nicht privat vereinnahmt werden. Open-Source-Saatgut fördert ökologische Vielfalt – in der Pflanzenzüchtung, auf dem Acker und auf dem Teller.Open-Source-Software
Für Menschen ist der Zugang zu Wissen in der Informationsgesellschaft ähnlich elementar, wie eine monopolfreie Versorgung mit Saatgut. Open-Source-Software ist die gemeinwohlorientierte Grundversorgung in der Digitalisierung. Deshalb ist Open-Source-Software unersetzlich, um Bürger*innenrechte ins digitale Zeitalter zu übersetzen und eine öffentliche Daseinsvorsorge für die Informationsgesellschaft zu verantworten.Als ver.di wünschen wir uns, dass Verwaltung und Politik ihren Weg für eine Open-Source-Software-Strategie fortsetzt und Dortmund als Open-Source-Stadt bundesweit vorangeht.
Wortbeiträge von ver.di Westfalen auf der Personalversammlung im Wortlaut
Thema: Digitalisierung
Martin Steinmetz: Ich glaube, dass hat der eine oder die andere auch schon so erlebt? Sonntagabend 3 Minuten vor dem Tatort. WhatsApp Nachricht auf dem Handy. Der Kollege schreibt: Kannst du noch eben…und zack geht das Kopfkino los und es fällt schwer bei den vielen Gedanken, die durch den Kopf schießen, dem Tatort mit seinen Handlungssträngen zu folgen.
Der Einsatz mobiler Endgeräte ist heute selbstverständlich und ist aus unserer Arbeitswelt nicht mehr wegzudenken. Sie ermöglichen uns orts- und zeitflexibel zu arbeiten. Beginn und Ende von Arbeitszeiten lassen sich selbstbestimmter mit individuellen Bedürfnissen und Anforderungen vereinbaren. Schauen wir mit dem Brennglas drauf, stellen wir fest, dass die neuen Freiheiten auch Gefahren mit sich bringen. Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmen. Es gibt keine Orte der »Nichtarbeit« mehr. Die Entgrenzung von Arbeit, ständig im standby-Modus zu sein, immer und überall erreichbar zu sein ist wissenschaftlich untersucht worden. Die grundsätzliche Feststellung: noch viel zu selten führt die Digitalisierung und mobiles Arbeiten zu Vorteilen auch auf Seiten der Beschäftigten. Stattdessen führen Digitalisierungsprozesse zu einer Steigerung der Arbeitsintensität, zu Zeitdruck und damit zu mehr psychischen Belastungen und Krankheiten. Arbeitet man alleine steigt der Ergebnisdruck. Die Arbeit wird aber auch schneller und komplexer. In den eigenen vier Wänden fehlt der fachliche und soziale Austausch.
In einer ver.di-Erklärung vertreten wir unter der Überschrift »Freiräume für mehr Arbeits- und Lebensqualität erschließen« die Auffassung, dass die Nutzung dieser erweiterten Freiräume verstärkt im Interesse der Beschäftigten organisiert werden und der Verbesserung ihrer Arbeits- und Lebensqualität dienen muss! Deshalb sollten Beschäftigte durchsetzbare Ansprüche auf ein Mindestmaß an Tätigkeitsanteilen erhalten, die während der betriebsüblichen Arbeitszeiten an einem von ihnen selbst zu bestimmenden Arbeitsplatz erbracht werden können. Deswegen brauchen wir beispielsweise dringend Regelungen darüber, dass die eingesparte Fahrzeit zum Arbeitsplatz zu mehr Freizeit führt!
Dieses Beispiel der mobilen Arbeit deutet aber auch schon den ökologischen Nutzen der mobilen Arbeit auf. Eine bundesweite Reduzierung von Pendlerverkehren mit PKW’s führt zu einer Reduzierung von 9,4% des motorisierten Individualverkehrs. Gleichzeitig geht damit Arbeits- und Gesundheitsschutz einher, weil Risiken und Belastungen von Arbeitnehmern durch den Straßenverkehr reduziert werden.
Aber worum geht es ver.di? Wenn die Chancen mobilen Arbeitens überwiegen sollen müssen wir das Hauptthema anpacken: Arbeitszeit und Erreichbarkeit! Der Anteil mobilen Arbeitens an der Gesamtarbeitszeit muss klein gehalten werden. Es müssen klare Nichterreichbarkeitsregelungen getroffen werden. Die Erfassung von Arbeitszeit ist Grundvoraussetzung und muss festgeschrieben werden. Vertrauensarbeitszeit ist für mobil Beschäftigte zu vermeiden. Wir brauchen Instrumente um der möglichen Entkollegialisierung und Isolation zu begegnen. Arbeitsaufgaben von mobilen Beschäftigten und denen die betrieblich arbeiten, muss gerecht verteilt werden und die Arbeit muss so organisiert werden, dass sie in der tariflich bzw. vertraglich vereinbarten Arbeitszeit geleistet werden kann. Es stellen sich aber auch weitere Fragen wie die Teilnahme an bspw. Personalversammlungen gesichert ist.
Und für alles das gibt es uns. Wir haben das Recht, die Möglichkeit und die Power, tarifvertragliche Regelungen zu schaffen. Kurzum: für den Tatortfan muss der Tatortsonntag, Tatortsonntag bleiben!
Thema: Mobiles Arbeiten
Martin Steinmetz: Stellen wir uns vor, sämtliche städtischen Gebäude sind mit einem Fahrstuhl ausgestattet und es brennt, wir müssen raus. Wir stehen vor der Wahl: Aufzug oder Treppe. Unsere Entscheidung liegt doch auf der Hand. Wir wählen das Mittel aus, welches wir selbst kontrollieren können, jeden einzelnen Schritt. Wir nehmen also die Treppe!
So wie ein Aufzug im Brandfall nicht benutzt wird, darf Digitalisierung niemals die einzige Funktionsebene einer Verwaltung werden. Wir müssen auf analoge Methoden zurückgreifen können, um unsere Gewährleistungsverantwortung für den täglichen Grundbetrieb für die Gesellschaft verantworten zu können. Das Motto: lieber zehn echte Menschen, die ich anrufen kann, als einen Menschen, der 10 Chatbots betreut. Das gilt besonders in einer krisengeschüttelten Welt.
In Dortmund werden wir 35 % der Belegschaft über die nächsten 10 Jahre altersbedingt verlieren. Für uns in Dortmund ist auch klar: Ohne Digitalisierung wird die Grundleistung der Verwaltung altersbedingt rapide fallen. Aber: Digitalisierung wollen wir gemeinwohlorientiert gestalten – sozial und ökologisch. Andererseits brauchen wir aber auch unbedingt wieder mehr und qualifiziertes Personal. Die Menschen dürfen das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit des ö.D. nicht aufgeben! Um für unsere gesellschaftliche Arbeit einen guten Rahmen zu schaffen, bereitet ver.di Tarifverhandlungen mit Schwerpunkt auf Digitalisierung vor. Für unsere operative Arbeit brauchen wir einen Tarifvertrag Digitalisierung. Das ist übrigens der beste Schutz davor, dass die Treppenhäuser, weil man ja überall Fahrstühle hat, abgerissen werden. Um die konkrete Frage vor diesem Hintergrund zu beantworten sagen wir als ver.di: Wir werden mit den öffentlichen Arbeitgebern einen Tarifvertrag aushandeln der auch unserer historischen Bedeutung nach ZEITSOUVERÄNITÄT gerecht wird um SELBSTBESTIMMUNG der Beschäftigten zu sichern. Das bedeutet: Zeit für Qualifikation und Zeit am Arbeitsplatz um mit neuen Methoden umzugehen. Und klar, das wird kosten!Thema: Fachkräftemangel
Martin Steinmetz: Hier liegt der Spielball ohne Zweifel im Spielfeld der Arbeitgeber, denn für uns, ver.di, ist das nicht neu. Nicht ohne Grund haben wir bereits im Jahr 2013 den Tarifvertrag zur Bewältigung des demografischen Wandels im Nahverkehr abgeschlossen. Die Präambel dieses Tarifvertrages erklärt schon alles: „Der demografische Wandel wird in den kommenden Jahren die Beschäftigungssituation und den wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmen erheblich beeinflussen. Die Zahl der älteren Beschäftigten und das Durchschnittsalter der Belegschaften steigen deutlich. Gleichzeitig wird sich die Anzahl junger Nachwuchskräfte, insbesondere das Angebot von Auszubildenden, ab ca. 2015 dauerhaft und zunehmend verringern.“
Heute – Ende 2019 – wissen wir, dass in Dortmund – ich bin eben schon kurz darauf eingegangen über die nächsten 10 Jahre 35 % der Belegschaft altersbedingt verlieren wird.
Was wir brauchen ist also eine vorausschauende und nachhaltige Personalpolitik. Was wir jedoch erleben ist das von allen Seiten Wein gepredigt und Wasser verordnet wird. Es wird beispielsweise von hochwertiger Bildung, der Einführung eines Rechtsanspruchs auf Ganztagsbetreuung und Inklusion gesprochen. Alle Wissen aber auch: Damit sind Ansprüche formuliert, für die das vorhandene Personal bei weitem nicht ausreicht. Und nicht zuletzt haben die öffentlichen Arbeitgeber unsere Versuche der Jahre 2009 und 2015, dem Fachkräftemangel in den SuE Berufen zu begegnen, unsere Aktivitäten schlichtweg ausgesessen. Sie verfolgten wohl das Ziel, uns, unsere Anliegen sowie die Gewerkschaftskasse ausbluten zu lassen.
Was aber brauchen wir?
- Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung und des Gesundheitsmanagements,
- betriebliche Regelungen, die den besonderen Belangen älterer Beschäftigter Rechnung tragen, wie z.B. die Förderung von Teilzeitarbeit und Langzeitkonten,
- Maßnahmen der Arbeitsorganisation und Arbeitsplatzgestaltung,
- Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf inklusive Rückkehrplanung und -vorbereitung z.B. in Fällen von Elternzeit oder Sonderurlaub für familiäre Zwecke sowie Hilfestellung bei Kinderbetreuung
- Unbefristete Beschäftigung von Anfang an, Abschaffung sachgrundloser Besfristungen, und, und, und…
Nächstes Jahr geht es in die nächsten zwei Tarifrunden. Tarifverhandlungen bei Bund und VKA für alle ÖD-Beschäftigten sowie die Tarifrunde für die Beschäftigten in den SuE Bereichen. Tarifrunden sind aktive Maßnahmen dem Fachkräftemangel zu begegnen. Wie gesagt, der Spielball liegt ohne Zweifel im Spielfeld der Arbeitgeber, denn für uns, ver.di, ist das nicht neu. Und: Wir können auch Streik!
Ergänzend machte Martin Steinmetz in seiner Eigenschaft als Gewerkschaftssekretär von ver.di Westfalen für den Fachbereich Gemeinden folgende Aussage:
Open-Source-Brötchen
Diese Brötchen haben diesen Herbst Weltprämiere!
Heute zum 3. Mal.
Warum haben wir diese Brötchen verteilt? Wir wollen darauf hinweisen, dass Saatgut nur noch ganz wenigen Konzernen gehört. Bayer, Monsanto,… Das schafft soziale Abhängigkeit für Landwirte und ökologische Schäden für uns alle.
Ganz ähnlich ist es bei der Digitalisierung. Unsere Software im öffentlichen Dienst gehört wenigen Konzernen – z. B. Microsoft.
Wir als ver.di wollen, dass der Öffentliche Dienst selbst über Software bestimmt. So wie wir mit Saatgut anders umgehen müssen, möchten wir auch mit dem Thema Digitalisierung und Software anders umgehen. Wir wünschen uns, dass Verwaltung und Politik ihren Weg für eine Open-Source-Software-Strategie fortsetzen und Dortmund als Open-Source-Stadt bundesweit vorangeht. Für bürger*innen- und beschäftigtenfreundliche Technologie, dafür sind wir als Gewerkschaft ver.di Partner.
Vielen Dank und guten Appetit!
Dokumente zum Herunterladen
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